Autor Thema: Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung  (Gelesen 4871 mal)

Kattla Brynjarsdottir

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Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung - 12.06.2014, 19:23
Leif stellte die beiden Koffer Kattlas in den Flur, während Kattla hinter ihm die Wohnungstür schloß und das Licht anschaltete. Dann warf sie ihren Rucksack neben ihre Koffer und schälte sie sich aus ihrer Jacke.

"Komm rein!" meinte sie grinsend zu ihrem Bruder und öffnete nacheinander alle Zimmertüren. Ein großes und ein kleines Zimmer gingen nach vorn zur Straße, ein weiteres kleines, Küche und Bad nach hinten zum Hof. Allein das große Zimmer war größer als das, welches Katta zu hause in Jörð hatte. Über 70 Quadratmeter. Unendliche Weiten mitten in Höfudfjördur, die jetzt die Heimat Kattlas sein sollten. Trotzdem kam sie sich eingesperrt vor. Bedrängt von diesen Massen von Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung. Allein in dem Haus, in dem sie jetzt wohnte, gab es vier Wohnungen wie die ihre, dazu unten zu ebener Erde zwei Läden. Der eine handelte mit Lebensmitteln und alltäglichen Kleinigkeiten, der andere mit Elektronikzeug.

Kattla stand an einem der Fenster und schaute hinaus auf die Straße. In nicht einmal zwanzig Schritt Entfernung erhob sich das Haus gegenüber und versperrte die Sicht. Zum Glück lag Kattlas Wohnung ganz oben in der zweiten Etage. So konnte sie wenigstens den Himmel sehen. Nach hinten war der Blick weiter, das nächste Haus sicher hundert Meter entfernt. Dazwischen Rasen, Büsche und ein paar Birken.

"Ihr werdet mir fehlen." Leif trat an sie heran und umarmte seine Schwester. "Du uns auch. Ein paar werden Dich aber auch beneiden." Kattla versuchte ein gequältes Lächeln. "Wird schon!" meinte sie mit schlecht gespieltem Optimismus. Dann ging sie in den Flur, schnappte sich ihren Rucksack und schleppte ihn in die Küche.

Obwohl die Wohnung noch mehr als dürftig eingerichtet war, genauer gesagt befanden sich nur eine Matratze im Schlafzimmer und ein Spiegelschrank im Bad darin, waren Kattla, ihr Bruder und ihr Vater in den letzten Wochen schon ein paar mal hier gewesen. Die Wohnung war vorgerichtet und die Küche so weit ausgestattet, dass sie benutzt werden konnte. Inklusive eines alles andere als kleinen Kühlschrankes. Und den begann Kattla aus dem Inhalt ihres Rucksackes heraus aufzufüllen. Ihre Eltern hattes es reichlich gut mit ihr gemeint. Mit all dem Fleisch - Schaf und natürlich auch von ihrem Wal -, Fisch und diesem und jenem aus Mutters eigener Herstellung konnte sie mindestens zwei Wochen sehr ungesund leben, ohne sich auch nur ein Fitzelchen dazukaufen zu müssen. Und wäre am Ende sicher fett wie ein Walroß. Trotzdem war es gut, all das zu haben.

"Wohin sollen die Koffer?" Leif schaute seine Schwester fragend an. "Ins Schlafzimmer bitte! Mal sehen, wie lange ich aus den Koffern leben werde." Kattla lachte auf. Im Bad stand eine Waschmaschine. Neben dem Kühlschrank das Wichtigste, was Kattla sich für ihre Wohnung bestellt hatte. Alles andere hatte Zeit. Selbst ein Auto war vorerst nicht notwändig, da nur wenige Schritt vom Haus entfernt der Bus hielt und sie so gerade einmal zehn Minuten Weg zur Universität hatte. Ein Auto würde erst dann wichtig werden, wenn sie nach Hause fahren wollte. Also jetzt. Gleich. Sofort! Nur würde das so schnell nichts werden. Ihre Eltern zahlten zwar die Wohnung und die Uni, auch ein Taschengeld, so das Kattla sicher nicht an alten Knochen nagen musste, aber große Sprünge würde sie damit auch nicht machen können.

Zwei Stunden später war Leif dann gegangen. Er wollte heute noch zurück in Jörð sein. Kattla schaute vom Fenster aus seinem Pick Up nach, bis lange nachdem er verschwunden war. Jetzt war sie das erste Mal in ihrem Leben allein. Trotz zehntausenden von Menschn um sie herum. Allein.

Am nächsten Morgen machte sich Kattla auf zur Bushaltestelle und fuhr ins Zentrum, um all den lästigen Behördenkram hinter sich zu bringen.
Ég er!
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Agnar Bróðirsson

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Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung - 07.07.2014, 06:56
Zwar gibt es derzeit keinen Fußball auf der Feuerinsel, trotzdem ist das Að Hlæjandi Víkingur jeden Abend mehr als gut gefüllt. Das macht vorallem das Wetter. Wer trinkt nicht bei diesen angenehmen eldländischen Temperaturen abends am Hafen ein Bierchen? Daher benötigt die Kneipe gerade deswegen im Sommer Aushilfen. Daher wirft Agnar zur frühen Stunde einige Flyer in die Briefkästen der Häuser der Stadt.

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Kattla Brynjarsdottir

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Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung - 10.07.2014, 12:05
Mißmutig kam Kattla vor ihrem Haus an. Blödes Bürokratenvolk! Mögen die Trolle sie hohlen!

Kattla trat ins Haus und öffnete den Briefkasten. Werbung, was auch sonst? Während sie die Treppe hinaufstieg, überflog sie die Prospekte. 2 Kilo Kartoffeln für vielzuviele Kronen. Klasse! Kredite - sofort und unbürokratisch! Die brauchte man, wenn man sich von den Kartoffeln ernähren wollte. Reperatur von Haushaltselektrogeräten - Bei Dir zu hause, ohne Anfahrtskosten und mit sofortigem Kostenvoranschlag. Tellertaxi gesucht. Da lachten ja die Wikinger. Oder klopften sich gröhlend auf die Oberschenkel. Dein Taxiruf: 0815-4711 ...

Oben angekommen öffnete Kattla ihre Wohnungstür und trat ein. Die Tasche landete auf dem Boden, ihre Schuhe daneben und die Werbung auf dem sich langsam bildenden Papierstapel neben der Tür. STOP! Der Wikinger ... der war der Einzige, bei dem man mit ein paar Kronen mehr wieder gehen konnte, als man kam. Kattla nahm den Flyer aus dem Papiermüll heraus. Ihn noch einmal genauer lesend ging sie in die Küche und nahm ein Stückchen Käse aus dem Kühlschrank. Nugensiler Fjellost, Handarbeit einer Freundin, die sie vor Jahren einmal bei einem Schüleraustausch kennengelernt hatte. Und die irgendwie nicht ganz unschuldig an Kattlas Berufswunsch war.

Der Wikinger also. Hafenkneipe. Soso. Sicher ungeheuer niveauvoll, wie es das Klischee nunmal von Wikingern verlangte. Dunkel, verräuchert, Met-, nein Bierflecken auf den Tischplatten und besoffene Kerle, die sabbernd versuchen würden, ihr in den Aussschnitt zu glotzen. Genau das, was sie brauchte! Tolle Aussichten. Aber bevor ihr hier heute wieder die Decke auf den Kopf fallen würde dachte Kattla, könnte sie zumindest mal in den Hafen schauen. Auf jeden Fall interessanter, als ihre Zimmerdecke anzustarren. Und falls sie rein zufällig an diesem Lachsack vorbeikommen sollte, würde sie ja sehen, wie der von aussen aussah. Und wenn sie es sich dann noch wagte, vielleicht auf ein Bier hineingehen...

Kattla zog Schuhe und Jacke an und verließ die Wohnung.
Ég er!
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Kattla Brynjarsdottir

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Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung - 06.10.2014, 15:53
Spät am Abend kehrte Kattla in ihre Wohnung zurück. Gut. Sie war um einige Erfahrungen reicher. Welche?

1. Städter spinnen.
2. Die Zeit der Chinopinnen war vorrüber. Das Geschäft lag jetzt wohl im wahrsten Sinne des Wortes in androscher Hand beziehungsweise anderen Körperteilen.
3. Fußball ist ein Synonym für "zu wenig Alkohol vertragen".
4. Sie wollte nach Hause.

Sie klappte den Laptop auf und warf die erstbeste passende mp3 an. Dann schmiss sie sich auf ihre Matratze und versank in Erinnerungen an daheim.
Ég er!

Kattla Brynjarsdottir

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Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung - 13.10.2014, 11:14
Am nächsten Morgen war Tjovik da. Kattla konnte sich nicht erinnern, wie lange sie ihn nicht gesehen hatte. Fünf Jahre? Zehn? Und jetzt saß er in der Ecke auf der Fensterbank, baumelte mit den Beinen und grinste Kattla an.

Kattla setzte sich auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen und lächelte Tjovik an. "Schön das Du da bist!" Tjovik grinste immernoch.

"Wie ist es auf Jörð, Tjovik? Und wie kommt es, daß Du den Hof verlassen hast?"

Tjovik winke ab. "Auf Jörð ist alles gut. Alle sind gesund und die Katze hat fünf Junge geworfen." Tjovik lächelte jetzt auch Kattla an. "Und Vater und Großvater sind alt genug, mal ein paar Jahrzehnte ohne mich auszukommen. Die brauchen mich grad nicht in Jörð. Aber Du hast Heimweh. Da dachte ich, Du brauchst mich."

"Du bist so lieb, Tjovik! Hat sich mein Heimweh wirklich schon bis daheim rumgesprochen?"

"Selbst in dieser schrecklichen Stadt leben nicht nur Menschen, Kattla." antwortete Tjovik. Er sprang von der Fensterbank und kam auf Kattla zu. "Ich hatte Angst, Du könntest mich nicht erkennen."

"Wie könnte ich das, mein liebster, mein bester Tjovik? Wie könnte ich das jemals?" Kattla öffnete die Arme, um Tjovik fest an sich zu drücken.
Ég er!
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Agnar Bróðirsson

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Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung - 26.11.2014, 11:54
Agnar machte sich auf den Weg um der neuen Tellerschubserin einen Brief in den Kasten für Briefe zu schmeißen.
Ohne großes Prozedere lässt er den Umschlag in den Schlitz fallen. Hatten sie eigentlich schon über den Stundenlohn gesprochen? Naja, jefragt hat se aufjedenfall nicht. Verrückt, oder einfach nur höflich.

Im Brief steht:
Herzlichen Glückwunsch (Fettfleck) sind eingestellt! Arbeitsbeginn Freitag (Fettfleck):00 Uhr. Falls Sie (Fettfleck) haben einfach 15 Minuten früher kommen.

Kattla Brynjarsdottir

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Hofteigur 42 - Kattlas Wohnung - 27.11.2014, 14:52
Zwei Tage später lag ein Stück Einwickelpapier im Briefkasten, auf dem so etwas wie ein Brief stand. Hmmm ... Kattla musste schmunzeln, als sie den Fetzen in der Hand hielt. Zumindest hatte er vier Ecken und stak sogar in so etwas wie einem Umschlag. Ohne Adresse, ohne Absender. Das hieß, vorausgesetzt es war kein Troll, der ihn hierhergebracht hatte, dass jemand aus der Hafenkneipe ihn höchstpersöhnlich hierher gebracht hatte. Da konnte heißen, dass es wichtig war. Oder keiner richtig schreiben konnte. Oder die Kneipe nichtmal genug Umsatz hatte, um sich eine Briefmarke zu leisten.

Kattla machte sich den Spaß, legte ein Stück Löschpapier unter den Brief und bügelte ihn dann. So verschwanden zwar die Flecke, die fehlenden Textstellen tauchten deswegen aber noch lange nicht wieder auf. Dafür verströmte das warme Fett im Löschpapier einen unverkennbaren Geruch. Tjovik und Kattla waren sich einig: Billigstes Frittenfett aus Alcasalzischen Soja. Nun, Kattla würde sich so genau wie möglich an das halten, was sie lesen konnte.

Die Zeit bis Donnerstag verbrachten sie und Tjovik damit, durch die Stadt zu laufen. Sich umzuschauen. Überall mal gewesen zu sein. UNd natürlich hatte Tjovik recht damit, dass er nicht allein hier war. Sein Hiersein öffnete Kattla die Augen.

Donnerstag Abend packte Kattla ein Walsteak in ein Ölpapier, steckte dieses und den Brief in ihre Tasche und machte sich später auf zum lachenden Vikinger.
Ég er!