Der Wind blies vom Meer und wehte in Kattlas Haar und Gesicht. Sie schloß die Augen und sah in ihrem Inneren die "Anna" vor sich. Spürte förmlich, wie ihr die Gischt um die Wangen wehte. Als sie die Augen wieder öffnete, war das Traumbild verschwunden. Vor ihr lag ein freesländisches Containerschiff, das darauf wartete, be- oder entladen zu werden. Höher als jedes Haus ragten die aufgestapelten Container in die Höhe.
Das Containerschiff lag nicht allein im Hafen. Ein Stückgutfrachter aus dem Medianischen Imperiuum und ein astorscher Tanker lagen gleich daneben. Dazu noch zwei Hecktrawler mit dem Heimathafen Höfudfjördur. Und Dutzende kleiner und kleinster Schiffchen, vom KüMo über Fischkutter wie der "Anna" bis hin zu kleinen ein-- oder zweimastigen Seglern.
Kattla schrak auf, als sie angesprochen wurde. "Du Andro?" Sie schaute verständnislos zu den zwei Typen, die neben ihr standen und von denen einer sie angesprochen hatte. Dieser bemerkte ihren Blick und meinte "Du Andro? Wollen Kronen?" während er er mit den Händen eine eindeutige rhythmische Bewegung machte. Sein Begleiter meinte auf normalem Eldeyisch zu ihm: "Die kapiert noch nichtmal das. Wer weiß, von wo die importiert ist."
Verächtlich verzog Kattla den Mund. Sie antwortete in bestem Westviertel-Slang: "Wenn es bei Euch beiden so drängt, dass ihr Qualität mit einem androschen Frischfleischimport verwechselt, solltet ihr mal schauen, ob ihr was aus Gummi kriegt. Den Unterschied merkt ihr eh nicht." Angewiedert wand sich Kattla ab und ließ die beiden verdutzt schauenden Freier stehen. Das Hafenviertel schien seinem Ruf alle Ehre zu machen.
Kattla lief ziellos weiter durch das Hafenviertel. Und irgendwann, wirklich zufällig, stand sie wirklich vor Að Hlæjandi Víkingur. Mist! Aber sie hatte sich vorgenommen, dass sie, wenn sie hier landen würde, auch wirklich hineinginge. Mist! Nach dem Erlebnis mit den beiden vorhin hatte sie alles andere als Lust, das wirklich auszuprobieren. Aber während sie sich innerlich noch sträubte, hatte sie schon die Klinke ergriffen und die Tür aufgestoßen.
Drinnen ... Kattla schaute sich um. Nicht wirklich verqualmt, aber dunkle Tische mit Bänken und Stühlen daran. Ein paar Gäste saßen dort. Jeder ein Bier vor sich, einige mit einer Kleinigkeit zu essen und fast alle schauten auf und musterten Kattla prüfend, wie sie so in der Tür stand. Jetzt keine Schwäche zeigen! Kattla stellte sich vor, sie wäre nicht in dieser Hafenkneipe, sondern auf dem Meer. Und sie hätte den Abzug der Kanone mit einer tödlichen Ladung in der Hand. Und sie wäre bereit, sie einem über tausend mal schwereren Giganten entgegen zu schleudern. So steuerte sie unter den Blicken des Krills rechts und links zur Theke und nahm dort Platz.